Solidarität muß bedingungslos sein auch in Bezug zum Deutschen Reich

gelesen: https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/gegen-hass-im-netz-hilft-solidaritaet-kolumne-von-margarete-stokowski-a-1303233.html

Davon können auch die Menschen ein Lied singen, die beim Aufbau der Verfassungsorgane, unserer MmgZ, und die Aufklärung bezüglich des Deutschen Reiches mit seiner immer noch aktuellen Verfassung sich mit aller Kraft eingebracht haben. Sie erlebten Haß, Neid, Lügen, Diffamierung, Gewalt, Betrug und Rufmord aus den eigenen Reihen, von Sonnenstaatländlern, Zwerge und Gnome.
Nun zum Bericht.

Haß-Stürme nicht nur im NetzSolidarität muß bedingungslos sein

Der „Umweltsau“-Streit in Deutschland gleicht einem Fiebertraum. Er macht aber auch sichtbar: Viele scheinen nicht zu wissen, wie mit Bedrohungen aus dem Netz umzugehen ist.

Eine Kolumne von Margarete Stokowski, Dienstag, 31.12.2019

Als Angela Merkel vom Internet als „Neuland“ sprach, wurde sie von vielen ausgelacht. Das ist jetzt sechseinhalb Jahre her – und spätestens heute kann man sagen: Sie lag nicht so falsch. Das Internet ist für viele Menschen immer noch nicht nur Neuland, sondern es gleicht in ihrer Vorstellung einem verwunschenen Wald in einem Kinderfilm wie „Frozen II“: selbst schuld, wer reingeht. Weiß man doch, dass es da spukt.

Wenn dann in diesem vermeintlich verwunschenen Wald jemandem Gewalt widerfährt, sind Leute oft erst mal überfordert. Beleidigungen, Morddrohungen – wie ernst muss man das nehmen, wie real ist das, warum passiert das? Was ist der Gegenzauber?

Deutschland ist mit dem „Umweltsau“-Streit zwischen den Jahren in einen diskursiven Strudel geraten, der einem Fiebertraum gleicht. Ein Kinderlied, das vor allem Rechte und Rechtsextreme aufregt, obwohl der Anlass unfassbar nichtig ist: Eine fiktive (!) Oma wird – harmloser geht es kaum – „Umweltsau“ genannt. Eine Beleidigung aus der Kategorie „Blödmann“ oder „Eierloch“. Der Sender hält der Kritik nicht stand, macht eine Sondersendung, das Lied wird aus der Mediathek gelöscht. Rechtsextreme, die sich vor dem WDR versammeln und „deutscher Opa über alles“ grölen. Polizeischutz für den Sender. Ein Journalist, der wegen eines Tweets zum Thema Morddrohungen erhält. Ein Intendant, der sich für das Kinderlied entschuldigt und dann noch wirre „Ali“-Vergleiche nachlegt.

Es klingt alles wie in einer schäbigen Dystopie, aber es ist wahr. (DER SPIEGEL hat den Verlauf der rechten Mobilisierung hier nachgezeichnet.) Und da soll noch einmal jemand sagen, Linke und Feministinnen seien zu empfindlich und würden wegen eines falschen Begriffs immer gleich ausrasten. Ich hab jedenfalls noch nicht gesehen, dass ein Sender Polizeischutz gebraucht hätte, weil Leute wegen eines fehlenden Gendersternchens irgendwo aufmarschiert wären.

Die Dinge im Netz folgen Regeln, die vielen nicht bekannt sind

Aber so bizarr die ganze Geschichte wirkt – es scheint mir euphemistisch, sie „Debatte“ zu nennen -, so symptomatisch ist sie auch für diese Zeit und so traditionell sind auch die Fehler, die hier begangen werden.

Denn das Internet ist kein verwunschener Wald. Die Dinge, die hier passieren, folgen bestimmten Regeln, nur dass die Regeln vielen nicht bekannt sind. Nazis sind nicht so kreativ, ihre Einschüchterungsversuche haben immer wieder dieselbe Dynamik. Und doch stehen einzelne Menschen, Redaktionen, ArbeitgeberInnen oft völlig gelähmt vor dem Spektakel, wenn erneut jemand betroffen ist.

In allen möglichen Einrichtungen müssen Beschäftigte Schulungen durchlaufen, es gibt dann zum Beispiel im Rahmen von Arbeitsschutzstrategien Kurse darüber, wie man schwere Lasten korrekt hebt, und das ist natürlich richtig. Aber was auch gelernt werden sollte, ist der Umgang mit KollegInnen, die von sogenanntem Hass im Netz betroffen sind. (Ich sage „sogenannter“, weil der Hass oft nicht im Netz bleibt. Spätestens, wenn Nazis vor der Tür stehen, ist es keine Internetsache mehr.) Das ist auch Gesundheitsvorsorge, im 21. Jahrhundert.

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Redaktionen und andere ArbeitgeberInnen, aber auch Privatpersonen, sollten in Erster Hilfe für körperliche Notfälle geschult sein – aber genauso müssen sie endlich lernen, wie man mit Angriffen umgeht, die dazu gedacht sind, politische GegnerInnen einzuschüchtern. Die Hilfe muss schnell und professionell sein, die Solidarität bedingungslos.

Denn die Angriffe mögen wirken wie irgendwas Freakiges aus dem Internet, aber sie sind Terror. Sie sind dazu gedacht, Menschen Angst zu machen, sie aus dem öffentlichen Raum zu drängen, ihre Arbeitsgrundlagen oder ihre ganze Existenz zu zerstören. Es gibt JournalistInnen, AktivistInnen, PolitikerInnen, die ganz okay mit dem Wissen leben können, dass es da draußen Menschen gibt, die ihnen Gewalt antun wollen – und es sprachlich ohnehin schon tun. Es gibt diejenigen, für die es ein irre schwerer Kampf ist weiterzumachen. Und es gibt die, die sich zurückziehen, sei es aus Erschöpfung oder aus Angst, oft auch aus Angst um die eigenen Angehörigen, die nicht auch noch leiden sollen.

Mischung aus rechtem Volksfest und Bürgerkrieg

Ich benutze dabei den Begriff „Shitstorm“ nicht gern, weil Leute darunter sehr verschiedene Dinge verstehen. Manche meinen damit fünf wütende Emojis unter einem Facebook-Kommentar, andere meinen damit die konkrete Bedrohung von Leib und Leben. Es wird „Shitstorm“ genannt, wenn eine Firma für rassistische oder sexistische Werbung kritisiert wird, obwohl das, was da auf sie einregnet, keine „Scheiße“ ist, sondern berechtigte Kritik.

„Shitstorm“ ist allein in dem einen Sinne eine gute Metapher, als es auch im Internet eine Art Klimawandel gibt und die Stürme immer häufiger werden, bisweilen als eine Art Mischung aus rechtem Volksfest und Bürgerkrieg: gern an Feiertagen oder Brückentagen, an denen viele Leute zu viel Zeit haben.

Es gibt eine Reihe von Dingen, die Leute oft sagen, wenn sie sehen, dass andere in einem Sturm der Beleidigungen oder Bedrohungen stehen. Vieles davon ist uninformierter Quatsch.

  • „Mach doch einfach mal das Handy aus.“ – Ein genialer Tipp, mit dem man, wenn man ihn befolgt, im Zweifel eben nicht mitbekommt, dass die eigene Wohnadresse veröffentlicht wurde, Leute mit Gewalt drohen, Lügen verbreiten oder drohen, die Kinder der betroffenen Person anzugreifen. Eine der wichtigsten Aufgaben für Betroffene von Hass im Netz ist es, die Drohungen zu dokumentieren, um sie anzeigen zu können. Das können zwar auch Dritte übernehmen, aber diese Hilfe hat nicht jeder.
  • „Da musst du drüberstehen.“ – Die meisten stehen da eh drüber. Und: Viele sagen nicht öffentlich, wie schlimm ihre Lage in Wirklichkeit ist, um sich nicht noch angreifbarer zu machen. Denn wer zugibt, verwundet zu sein, wird noch leichtere Beute.
  • „Du hast provoziert“ / „Wer austeilt, muss einstecken können“ / „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ / „Wie man in den Wald hineinruft…“ – Gewalt- und Morddrohungen sind niemals gerechtfertigt. Wer Betroffene beschuldigt, an Drohungen selbst schuld zu sein, betreibt victim blaming. Es ist dasselbe, wie einer vergewaltigten Frau zu erklären, dass sie ja schließlich einen Minirock trug und deshalb mitverantwortlich ist. Und: Der Anlass für Morddrohungen ist oft lächerlich klein. Ich bekam meine ersten Morddrohungen vor etwa fünf Jahren, als ich geschrieben hatte, dass Frauenkörper in den Medien oft anders abgebildet und bewertet werden als Männerkörper. Leute fanden daraufhin, man sollte mich erschießen.
  • „Du musst lernen, andere Meinungen zu ertragen.“ – Wer sich häufig politisch äußert, ist üblicherweise recht trainiert darin, andere Meinungen zu ertragen. Aber niemand muss lernen, die Meinung zu „ertragen“, dass sie oder er hingerichtet werden sollte. Es geht bei Bedrohung nicht um „andere Meinungen“, es geht um nichts weniger als die eigene Unversehrtheit.
  • „Viel Feind, viel Ehr“ / „Das ist der Preis fürs Berühmtsein“ – Vollständig zynisch. Menschen, die Drohungen im Internet erhalten, sind nicht notwendigerweise berühmt, reich und abgesichert. Häufig sind nicht besonders bekannte AutorInnen betroffen oder Menschen mit mittelmäßig viel Reichweite, oft marginalisierte Personen wie von Rassismus, Transfeindlichkeit oder Armut betroffene Menschen, weil die Täter ahnen, dass diese Leute weniger Rückhalt haben als etwa eine Bestseller-Autorin mit Verlag, Redaktion und Anwältin.

Selbst Menschen, die sich wohlwollend zeigen möchten, greifen oft daneben. Sie sagen dann so was wie: „Morddrohungen sind natürlich übertrieben, auch wenn ich nicht immer alles teile, was diese Person sagt.“ Sie tun so, als wären sie solidarisch, wollen sich aber gleichzeitig nicht die Hände schmutzig machen. Aber: Solidarität bei gleichzeitiger Distanzierung ist wertlos. Solidarität muss bedingungslos sein, immer.

Es ist sogar der ganze Witz an Solidarität, dass man die eigenen Anliegen ein Stück zurückstellt und sagt: Deine Probleme sind auch meine Probleme, ich helfe dir beim Tragen. Alles andere ist vielleicht gerade mal Mitleid oder ein Bedauern der Umstände. Solidarität schließt Kritik nicht aus, aber wenn eine Person akut bedroht wird, ist es nicht der richtige Zeitpunkt für öffentliche Kritik und Selbstprofilierung.

Was Betroffenen wirklich hilft

Was Betroffene stattdessen brauchen, sind Menschen, die sich an ihre Seite stellen. Schlimmer als Drohungen können nahestehende Personen oder Vorgesetzte sein, die schweigen, sich nur halbherzig solidarisieren oder sogar Öl ins Feuer gießen. Oft sind es sehr praktische Dinge, die von Hass Betroffene schnell brauchen: eine gute Anwältin, einen Schlafplatz für den Fall, dass die eigene Wohnung kein sicherer Ort mehr ist, Hilfe beim Dokumentieren der Drohungen, Begleitung auf dem Weg zur Polizei, Geld fürs Taxi, Hilfe beim Umzug, möglicherweise Polizeischutz, definitiv geschulte Beamte. Und die Sicherheit, dass es Menschen gibt, die im Zweifel da sind und die wollen, dass man gesund, unversehrt und arbeitsfähig bleibt.

Dazu gehören auch PolitikerInnen, die sich mit mehr als Tweets dafür einsetzen, dass die Meinungs- und Pressefreiheit nicht von Rechtsextremen eingeschränkt wird. Hass im Netz ist keine Magie, aber selbst wer sie für ein mystisches Spektakel hält, sollte wissen, dass es eine Art Gegenzauber gibt: bedingungslose Solidarität und aktive Unterstützung der vom Hass Betroffenen. Selbst in „Frozen II“, als Elsa sich entscheidet, in den verzauberten Wald zu gehen, schnallt ihre Schwester, was zu tun ist, und sagt: „Ich begleite dich.“