Advent, Advent, die Erde brennt

gelesen: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/weihnachtsgeschenke-wie-schlimm-ist-geschenkpapier-fuer-die-umwelt-a-1300017.html

Advent, Advent, die Erde brenntWie schlimm ist Geschenkpapier?

Verpacken, aufreißen, wegschmeißen: Geschenkpapier hat eine kurze Lebensdauer – für die Umwelt kein gutes Konzept. Aber es gibt Alternativen.

243 Kilogramm Papier verbraucht statistisch betrachtet jeder Mensch in Deutschland pro Jahr

Mareen Fischinger/ Westend61/ Getty Images

243 Kilogramm Papier verbraucht statistisch betrachtet jeder Mensch in Deutschland pro Jahr

Sonntag, 08.12.2019   07:47 Uhr

Weihnachten ist angesichts Millionen abgeholzter Bäume, riesiger Müllberge und ungezügelter Völlerei ein Klimakiller. Im mehrteiligen SPIEGEL-Ratgeber erfahren Sie, wie das Fest möglichst nachhaltig wird. Diesmal: Geschenkpapier.

Wenig Zeit? Am Textende gibt’s eine Zusammenfassung.


So manche Familie dürfte in diesem Jahr beschämt auf den Papierberg schauen, den die Bescherung hinterlassen hat. In Zeiten von Greta Thunberg, „Fridays for Future“ und aus dem Supermarkt verbannten Plastiktüten regt sich auch beim Geschenkpapier das ökologische Gewissen. Immerhin jeder Zweite würde aus Nachhaltigkeitsgründen auf Verpackungen an Weihnachten verzichten, zeigt eine repräsentative Umfrage für den SPIEGEL.

Doch wie schlimm ist Geschenkpapier wirklich und welche Alternativen gibt es?

Die Herstellung von Papier erfordert nicht nur viel Holz, sie ist auch energieintensiv. Eine Tonne neues Papier benötigt laut Umweltbundesamt genauso viel Energie wie eine Tonne Stahl. Und der Papierverbrauch ist weltweit dramatisch gestiegen, vor allem in Deutschland. 1991 verbrauchte jeder Bundesbürger statistisch noch 70 Kilogramm pro Jahr, mittlerweile sind es 243 Kilogramm.

Je aufwendiger, desto umweltschädlicher

Wie viel davon Geschenkpapier ausmacht, weiß niemand genau. Eine offizielle Statistik dazu gibt es nicht.

Rechnet man mit einer handelsüblichen Rolle (drei Meter lang, 70 Zentimeter breit, 60 Gramm pro Quadratmeter) je Erwachsenen kämen bundesweit 8,7 Millionen Kilogramm zusammen. Ein Kilo neues Papier erfordert etwa 50 Liter Wasser und fünf Kilowattstunden Energie. Grob gerechnet würden so 435 Millionen Liter Wasser und 43,5 Millionen Kilowattstunden verbraucht, was in etwa dem jährlichen Energiebedarf einer Kleinstadt mit 12.500 Einwohnern entspricht.

Besser fällt die Bilanz bei recyceltem Papier aus: Die Herstellung verbraucht nur halb so viel Energie und ein Drittel der Wassermenge, also rund 145 Millionen Liter Wasser und 21,75 Millionen Kilowattstunden Strom.

Zusätzlich belastet Geschenkpapier die Umwelt mit Stickoxiden, Schwefeldioxiden und anderen Chemikalien, mit denen Zellstofffasern behandelt werden müssen.

Als Faustregel gilt: Je aufwendiger und schwerer ein Geschenkpapier, desto umweltschädlicher ist es. Die riesigen Rührmixer in Papierfabriken, sogenannte Pulper, haben alle Mühe, Aluminium, Kunststoffe und Reste von Klebestreifen wieder aus dem Geschenkpapier zu lösen. Das verbraucht erneut viel Wasser und Energie. „Kunststoff- oder Metallfolien sowie beschichtete Papiere sind schlecht recycelbar und daher nicht empfehlenswert“, rät das Umweltbundesamt.

Beschichtetes Papier gehört deshalb auch nicht in die Papiertonne, sondern in den Restmüll. Dann kann es zumindest in Müllverbrennungsanlagen genutzt werden. Allerdings lässt sich so bestenfalls ein Fünftel der Energie, die die Herstellung von neuem Papier benötigt, wieder in nutzbare Energie umwandeln.

Mogelpackung „chlorfrei gebleicht“

„Besonders umweltfreundliche Geschenkpapiere erkennen Sie am Umweltzeichen Blauer Engel“, empfiehlt das Umweltbundesamt weiter. Das Label garantiert, dass die verwendeten Papierfasern zu 100 Prozent aus Altpapier gewonnen werden.

Andere Kennzeichnungen wie FSC oder PEFC seien aus Umweltsicht weniger hilfreich. Sie stehen zwar für nachhaltige Waldwirtschaft, aber Papiere mit dieser Kennzeichnung sind häufig nicht aus recyceltem Material. Der Stempel „Chlorfrei gebleicht“ bedeutet sogar, dass gar kein Altpapier enthalten ist. Chlor- oder Chlorverbindungen werden gebraucht, um Frischfasern zu bleichen. Allerdings werden ohnehin nur noch fünf Prozent der Papiere weltweit mit reinem Chlor gebleicht.

Allerdings erfordert auch das Recycling von Papier Energie. Aus ökologischer Sicht ist es deshalb am besten, so wenig wie möglich davon zu verschwenden. Im Video sehen Sie, wie die mathematische Formel fürs papiersparende Geschenkeeinpacken funktioniert.

Um das ökologische Gewissen der Kunden zu beruhigen, verkaufen zahlreiche Anbieter vermeintlich umweltfreundlichere Geschenketüten oder Tücher. Ihre Bilanz fällt aber nur dann positiv aus, wenn sie wirklich mehrmals verwendet werden und nicht nach dem ersten Gebrauch zerknüllt in der Schublade landen.

Wer beim Einweg-Einpacken möglichst viel Energie sparen will, kann Zeitungspapier nutzen, das ohnehin weggeschmissen würde oder altes Geschenkpapier wiederverwerten.

Selbst eine Plastiktüte ist aus energetischer Sicht meist besser als neues, aufwendig verziertes und schweres Geschenkpapier. Ihre Herstellung braucht nur etwa halb so viel Energie wie die gleiche Menge neues Papier. Allerdings baut sich Papier in der Natur ab, Plastik nicht. Es gibt auch Anbieter, die vollkompostierbares Geschenkpapier anbieten, hergestellt mit Ökostrom aus nachhaltiger Waldwirtschaft. Doch auch das verbraucht Ressourcen.

Fazit: Mit einwandfreiem ökologischem Gewissen lässt sich ein Geschenk nicht aufreißen und die Verpackung wegschmeißen. Recyceltes, unbeschichtetes Papier spart jedoch jede Menge Holz, Wasser und Energie. Oder man hält sich an die Bundesregierung. „Vielleicht genügt manchmal auch eine Schleife zur Dekoration am Geschenk?“, heißt es auf ihrer Homepage.

…………………………..

Und da wären noch die Abermillionen Tannenbäume

Kommentar der MmgZ-Redaktion
Die kostengünstigste Lösung ist genau darüber nachzudenken, welchem Zweck die Weihnachtszeit wirklich dient und für was die Weihnacht wirklich sein sollte. Ob dem Tannenbaum tatsächlich Blätter abfallen, ob ein Tannenbaum tatsächlich nötig ist, denn auch er gehört dann zum Müll, usw. usw. Hier einige Gedankenimpulse: Mutternacht, Weih-Nacht, Thomasnacht, Wiedergeburt der Sonne, Raunacht, Heil(ige) Nacht, Wintersonnenwende.