Deutsche Staatsanwaltschaften dürfen keinen EU-Haftbefehl ausstellen

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EuGH: Deutsche Staatsanwaltschaften dürfen keinen EU-Haftbefehl ausstellen

Deutsche Staatsanwaltschaften dürfen keine EU-weit gültigen Haftbefehle ausstellen. Das hat der EuGH in Luxemburg entschieden. Der Grund: Die deutschen Staatsanwaltschaften seien nicht unabhängig, sondern an Weisungen aus der Politik gebunden.

 

Deutsche Staatsanwaltschaften dürfen einem Urteil des höchsten EU-Gerichts zufolge keine sogenannten Europäischen Haftbefehle ausstellen. In Deutschland sei gesetzlich nicht ausgeschlossen, dass ein Europäischer Haftbefehl in Einzelfällen auf Weisung des Justizministers des jeweiligen Bundeslandes ausgestellt werde, urteilte der Europäische Gerichtshof am Montag in Luxemburg (Rechtssachen C-508/18, C-82/19, C-509/18).

Der polnische Außenminister Konrad Szymanski ist offenbar zu Kompromissen bereit.

 

Beim Europäischen Haftbefehl bittet ein EU-Staat andere Mitgliedstaaten darum, eine Person festzunehmen und sie auszuliefern. Eine Folge des Urteils könnte sein, dass künftig statt der Staatsanwaltschaften Richter die EU-Haftbefehle ausstellen müssen.

Hintergrund sind mehrere Fälle in Irland, bei denen die Betroffenen die Unabhängigkeit der deutschen Staatsanwaltschaft sowie des litauischen Generalstaatsanwalts infrage stellten. Irische Gerichte riefen deshalb den EuGH an.

Nach EU-Recht muss ein Europäischer Haftbefehl von einer Justizbehörde ausgestellt werden. Die Richter betonten nun, dass darunter auch Behörden fallen können, die an der Strafrechtspflege mitwirken, im Unterschied etwa zu Ministerien oder der Polizei.

Allerdings müsse diese Behörde bei der Ausstellung unabhängig handeln – selbst dann, wenn der Europäische Haftbefehl auf einem nationalen Haftbefehl beruht, der von einem Richter oder Gericht ausgestellt wurde. Die deutschen Staatsanwaltschaften erfüllten diese Kriterien nicht. Beim litauischen Generalstaatsanwalt erkennt der EuGH die Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive dagegen an.

Der Deutsche Richterbund (DRB) sprach sich am Montag dafür aus, die Weisungsbefugnis der Justizminister an Staatsanwälte abzuschaffen. „Es sollte für Deutschland zum Selbstverständnis gehören, europäische Justizstandards einzuhalten“, sagte der DRB-Vorsitzende Jens Gnisa. Dazu gehöre nach der EuGH-Entscheidung auch die Abschaffung des Weisungsrechts an Staatsanwälte. Derzeit sei unklar, wie „überhaupt noch europaweite Fahndungen umgesetzt werden können“.

Die Weisungsgebundenheit der deutschen Staatsanwälte, insbesondere des Generalbundesanwalts, wurde bereits in der Vergangenheit als Widerspruch zum grundgesetzlich festgeschriebenen Prinzip der Gewaltenteilung kritisiert. Diese Kritik wurde nun höchstrichterlich bestätigt.

Die politische Kontrolle von Justizbehörden dürfte unter anderem dazu dienen, heikle Verfahren wie die um den NSU-Komplex oder das Attentat am Breitscheidplatz im Sinne der politisch Verantwortlichen zu führen und die Wahrheit unter Verschluss zu halten.

Deutsche Spitzenpolitiker haben sich zu dem Urteil des EuGH noch nicht geäußert. Der Kritik von EU-Organen an mangelnder Rechtsstaatlichkeit in Polen hatten sich deutsche Politiker in der Vergangenheit dagegen schnell und entschieden angeschlossen.

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(rt deutsch/dpa)